Ich hab jüngst in „Die Welt, die Wildnis und wir“ notieren dürfen, daß sich die beiden Gitarristen José María Obeso und Stefan Oser mit Fotograf Richard Mayr und mir auf eine dialogische Situation einlassen werden.
Bei einem Gespräch über dieses Vorhaben fand ich vergnügt heraus, daß auch die beiden Musiker auf diese Motiv hin befragt werden können und dazu interessante Details in ihren Biografien haben.
Nun sollte ich aber vielleicht erst klarstellen, daß ich in unserem Vorhaben Wildnis nicht abwertend verstehe; in einem Sinn, daß unsere Zivilisiertheit über der Wildnis stehe. (Diese Pose hielte ich für Unfug.) Ich meine mit Wildnis jenes enorm Große, das über mich hinausragt; besser noch: das sich über mir wölbt. Als Wildnis verstehe ich das, was außerhalb meiner Wirkmächtigkeit liegt.
Soweit es Richard Mayr und mich angeht, läßt sich gut darstellen, wie es uns ein halbes Leben lang immer wieder in die Wildnis gezogen hat. Allerdings in zwei fundamental verschiedene Arten der Wildnis. Das betrifft unser Thema als Referenzsystem jener Kontraste, die wir offenbar beide brauchen, um das Leben auf eine bestimmte Art zu spüren. Eine Art der Praxis des Kontrastes.
Für Obeso und Oser gilt das auf eine ganz andere, und wie ich finde, höchst interessante Art. Obeso stammt aus Guamúchil (Sinaloa) in Mexiko. Darin liegt schon ein Hinweis auf Dimensionen, die wir im kleinen Österreich nicht kennen. Obeso: „Das Flugzeug braucht vom Stadtrand in Mexio City bis zum Flughafen fast eine halbe Stunde.“ Das betrifft aber auch Dimensionen der Zeit.
Obeso erwähnte, daß man in den ruralen Gebieten des Landes noch Lebensformen, Brauchtum und Speisen wie vor zweihundert Jahren finden könne. Also das, was bei uns die alte agrarische Welt war, bevor die Industrialisierung alles veränderte. (In Österreich etwas Verschwundenes.)
Oser hat Jahre in Mexiko gelebt. Bevor er nach Österreich zurückkam, ging er noch eine Weile nach Brasilien. „Weil ich dachte, wenn ich das jetzt nicht gleich mache, mache ich es nie mehr.“ Ich finde, auch hier zeigt sich, wie sich jemand einem weit Größeren ausgeliefert hat, um sich selbst neu zu erleben; anders als jene, die ein Leben lang auf ihrer Couch hocken bleiben.
Auf dem Foto: José María Obeso (links) und Stefan Oser
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