Es ist bloß über dreißig Jahre her, daß ich dem Kabarettisten zuletzt real begegnet bin. Wir waren damals Teil eines unruhigen Grazer Kulturgeschehens, das eine spezielle Annehmlichkeit bot.
Wer loszog, vermochte praktisch jeden Abend einen Winkel zu finden, in dem man sich vor einem Publikum erproben konnte. Die Stadt war voller Clubs, Cafés, Kleinkunst-Spelunken, Branntweinstuben, Kino-Ecken, aber auch voller Bühnen verschiedener Größen, wo sich teils spontan, teils geplant auftreten ließ.
Jörg-Martin Willnauer stand vor allem im Lager des Kabaretts, hatte als versierter Pianist freilich allerhand Optionen offen. Leute vom Jazz und Blues, die aufkommenden Folkies, Literaturleute verschiedener Genres, Theatertypen, Filmleute, Puppenspielerinnen, lauter junge Leute, die sich mitunter auch auf der Straße Auftritts.Erfahrungen holten.
Nun traf ich Willnauer bei einer Vernissage in Gleisdorf wieder und es sieht ganz so aus, als habe unsere vergnügte Plauderei Konsequenzen. Die alten Fotos aus meinen Chroniken stammen aus dem Jahr 1984. Ich denke, das war eine Session in der Grazer „Fabrik“ (Plüddemanngasse).
Man muß das nun nicht überbewerten, aber wer die letzten Jahrzehnte an seinem Metier festgehalten hat, weckt natürlich mein spezielles Interesse. Manche haben den Alkohol nicht überlebt, manche andere Arten von Schmerz. Jene, die nach wie vor da sind, sich dabei aber immer noch nicht zu Zynikern oder angepaßten Spießern gewandelt haben, halte ich für einen Glücksfall.
Wir werden nun keine weiteren dreißg Jahre mehr brauchen, um ein nächstes Plauderstündchen zu haben; auch weil ich sehr überrascht wäre, wenn ich mit meinen 68 Jahren noch einmal dreißig drauf bekäme. (Aber wer weiß!) Jedenfalls hat mir Willnauer als Pfand ein Gedicht hinterlassen.
- Jörg-Martin Willnauer: Gstett’n (Lyrik)
- Heinz Payer: Willnauer (Call and Response)